
In Deutschland wurden 2022 Rechnungen durchschnittlich erst nach 49 Tagen bezahlt - vier Tage später als im Vorjahr.
Weltweite Zahlungsmoral 2022 stark gesunken
Die Zahlungsmoral in der Weltwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren sukzessive verschlechtert. Laut einer aktuellen Studie des Kreditversicherers Allianz Trade wurden Rechnungen im Jahr 2022 weltweit im Durchschnitt erst nach 59 Tagen bezahlt, was einer Verzögerung von fünf Tagen im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Die Studie zeigt auch, dass sich die Days of Sales Outstanding (DSO), also die Zeit zwischen Rechnungsstellung und Bezahlung, zwischen 2015 und 2021 um vier Tage verschlechtert haben. „Die Zahlungsmoral ist ein wichtiger Vorbote von Zahlungsverzögerungen und -ausfällen sowie Insolvenzen“, sagt Maxime Lemerle, Chefanalyst für Insolvenzen bei Allianz Trade. „Je länger Unternehmen auf ihr Geld warten müssen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie am Ende auf unbezahlten Rechnungen sitzen bleiben. Die Rolle der Lieferanten als unsichtbare Bank kommt also wieder voll zum Tragen und erhöht die Liquiditätsrisiken im System.“
Auch Deutschland braucht immer länger zum Bezahlen
Nicht nur weltweit, auch in Deutschland hat sich die Zahlungsmoral verschlechtert: Rechnungen werden im Schnitt vier Tage später beglichen als im Vorjahr, bei einer durchschnittlichen Wartezeit von 49 Tagen. Trotz dieser Entwicklung gilt die Zahlungsmoral in Deutschland im internationalen Vergleich immer noch als relativ gut. „Den Deutschen sagt man seit jeher eine gute Zahlungsmoral nach“, sagt Milo Bogaerts, CEO von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Die aktuellen Zahlen bestätigen diesen Ruf auch in diesen schwierigen Zeiten. Die deutschen Unternehmen bezahlen ihre Rechnungen 10 Tage schneller als im weltweiten Durchschnitt und eine Woche früher als Unternehmen in den europäischen Nachbarländern. Das ist ein ziemlich eklatanter Unterschied – aber keine Garantie.“
Besonders betroffen: Asiatisch-pazifischer Raum und bestimmte Branchen
Besonders betroffen von der Verschlechterung des Zahlungsverhaltens sind der asiatisch-pazifische Raum sowie Branchen wie Transport, Rohstoffe, Elektronik und IT. Im asiatisch-pazifischen Raum müssen Unternehmen durchschnittlich 65 Tage auf die Begleichung ihrer Rechnungen warten, sechs Tage mehr als im Vorjahr. In China hat sich das Zahlungsverhalten sogar um zehn Tage auf 54 Tage verschlechtert. Im Mittleren Osten hingegen hat sich die Situation nicht verändert, hier müssen Unternehmen nach wie vor rund 64 Tage auf ihr Geld warten.
Auch zwischen den Branchen gibt es Unterschiede: Im Maschinen- und Anlagenbau müssen die Unternehmen mit 79 Tagen am längsten auf ihr Geld warten. Es folgen der Fahrzeugbau (77 Tage), die Elektrotechnik und das Baugewerbe (jeweils 72 Tage). Besonders dramatisch hat sich das Zahlungsverhalten in der Transportbranche entwickelt, wo sich die Wartezeit um 15 Tage verlängert hat, gefolgt von Rohstoffen (plus zehn Tage), Elektronik sowie Software und IT (jeweils plus acht Tage), Pharma, Nahrungsmittel und Bau (plus sieben Tage).
Weitere Verschlechterung der Zahlungsmoral für 2023 erwartet
Für 2023 wird erwartet, dass sich der Trend zur Verschlechterung der Zahlungsmoral weltweit und auch in Deutschland fortsetzt. „Zuletzt haben wir deutlich mehr Zahlungsverzögerungen und auch einige größere Insolvenzen gesehen“, sagt Bogaerts. „Insgesamt erwarten wir in diesem Jahr rund 15 Prozent mehr Pleiten als 2022 und damit eine Normalisierung des Insolvenzgeschehens.“ Unternehmen sollten sich daher auf längere Zahlungsziele einstellen und ihre Finanzplanung entsprechend anpassen, um mögliche Liquiditätsengpässe zu vermeiden.